Von einstmals sieben „Fangesellschaftern“ bleiben nun noch drei. Matthias Wilkening gibt auf und verkauft seine Anteile an der Hannover 96 Sales & Service GmbH an Gregor Baum.
Neue Presse, 9.11.2029
Samstag, 9. November 2019
Sport
„Das macht so keinen Spaß …“
96-Gesellschafter Wilkening verkauft seine Anteile an Baum. Er ist genervt von Kinds Führungsstil.
Von Carsten Bergmann
HANNOVER. Matthias Wilkening steigt bei 96 aus. Der 74-Jährige verkauft seine Anteile (11,4 Prozent) an der S & S an Mitgesellschafter Gregor Baum. Im Interview erklärt Wilkening den Grund und sein Verhältnis zu Martin Kind.
Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?
Erstens: Ich bin mit 74 Jahren alt genug. Zweitens zählt das Verhältnis unter den Gesellschaftern sicher nicht zu den besten. Und drittens: Es muss frischer Wind in die Gesellschaft herein. Es können aktuell keine neuen Impulse gesetzt werden. Es ist höchste Zeit, dass sich das ändert.
Aber Sie haben Ihre Anteile an Mitgesellschafter Gregor Baum verkauft. Wie soll dadurch frischer Wind aufkommen?
Gregor Baums Stellung in der Gesellschaft wird stärker, er braucht keine Rücksicht auf mich zu nehmen. Ich wünsche und hoffe, dass er sich durchsetzen wird. Er hat eine Menge Sportsachverstand, ein echter 96er. Und ich hoffe, dass er dicht genug am Verein ist. Dieser liegt mir besonders am Herzen. Das wird er schon hinbekommen.
Hat Sie die Auseinandersetzung mit Martin Kind mürbe gemacht?
Ja, ich gebe auf. Das macht so doch keinen Spaß, zumal ich kein Licht am Ende des Tunnels sehe. Es wird einfach nicht besser. Die Akteure sind die gleichen, an der Umgangsform untereinander hat sich auch nichts geändert.
Sie wollten sich als einziger Gesellschafter die Zinsen auszahlen lassen und haben sogar darum vor Gericht gekämpft. Waren Sie nicht bereit, in den Verein zu investieren?
Zuallererst einmal: Zinsen auf meinem Bankkonto gehören auch mir – und die sollte ich doch wohl verwenden können, wann und wie ich es möchte. Richtig ist: Ich bin nicht bereit, Geld einfach so den Profis von Hannover 96 zuzuschustern. Wenn ich mit dem Geld den Amateursport unterstützt hätte, hätte ich auf eine Auszahlung doch verzichtet. Nur das war nicht der Fall.
Aber die Zinsen wurden laut Aussage von Martin Kind für den Neubau des Nachwuchsleistungszentrums verwendet.
Das wurde nie in der Gesellschafterrunde besprochen. Der Bau sollte aus dem normalen Haushalt finanziert werden. Dass die Zinsen für den Bau verwendet wurden, das entzieht sich meiner Kenntnis und damit auch meiner Einflussnahme.
Sie waren also stiller Teilhaber – Geld geben ja, mitreden nein.
Das trifft es wohl am besten.
Wie haben wir uns die Atmosphäre unter den Gesellschaftern vorzustellen.
Höflich distanziert.
Wurde denn nicht über Entwicklungen und Ausrichtungen der Profis gesprochen, wurden Sie in Entscheidungen einbezogen?
Nein, das alles gar nicht. Es wurden höchstens mal Szenarien grob skizziert. Dem konnte man zustimmen oder nicht. Geändert hat sich ohnehin nichts. Ob ich was gesagt habe oder nicht – egal. Ich habe versucht, kreativen Input zu geben – aber das hat keine Rolle gespielt.
Was haben Sie im Umgang vermisst?
Die Informationspolitik, ich habe keine Transparenz erlebt. Die Informationen habe ich über die Presse erfahren. Das hatte ich mir ganz anders vorgestellt.
Wo liegt das Grundproblem?
Die größten Problemfelder sehe ich in den Köpfen der beteiligten Akteure. Die jeweiligen Potenziale zu heben und zu fördern, das gelingt nur wenigen Menschen. Hannover 96 muss sich als Mannschaft verstehen – an allen Stellen. Egal, ob auf dem Platz oder in der Verwaltung.
Ist das mit Martin Kind in dieser Position überhaupt möglich?
Über Martin Kinds Schreibtisch geht jeder einzelne Vertrag. Er ist der Verantwortungsträger schlechthin. Er hat sehr dazu beigetragen, dass 96 in der 1. Liga und der Europa League gespielt hat. Das war eine gute Zeit, es hat Spaß gemacht. Aber man muss auch sagen: Alles hat seine Zeit. Für mich ist diese nun rum.
Der Hauptgesellschafter Kind will doch die Verantwortung an die Unternehmersöhne weiterreichen.
Der Vorschlag, Alexander Kind und Raoul Roßmann als neue Geschäftsführer vorzuschlagen, kam überraschend. Aber Martin Kind war und ist ja immer für Überraschungen gut.
Blicken Sie im Groll zurück?
Nein, das mache ich nicht. Es hat Spaß gemacht, eine tolle Zeit. Nun hoffe ich, dass es dem Verein guttut, klarere Zuständigkeiten zu bekommen. Wer macht was? Wer redet worüber? Das wäre wichtig.
Wer soll das in die Wege leiten?
Das ist mit die Aufgabe des Präsidenten des Vereins Hannover 96. Es geht um die komplette Marke. Es dreht sich sehr viel um Fußball. Aber das ist nicht alles. Es gibt so viele tolle Sportler im Verein. Auch die müssen geschätzt und gewürdigt werden. Der Zusammenhalt in der 96-Familie muss rüberkommen. Das kann nicht von einem Amateur geleistet werden. Der Verein braucht eine Spitzenkraft. Ob man das als Ehrenamt hinbekommt?
Beteiligungen 2004